Automatisierte Oberflächenbearbeitung im BMW Werk Regensburg
Digitaler Dreiklang in der Lackiererei
Als erstes Werk in der Automobilindustrie weltweit setzt das BMW Group Werk Regensburg in der Serienfertigung auf einen durchgängig digitalisierten und automatisierten Prozess für Inspektion, Bearbeitung und Markierung von lackierten Fahrzeugoberflächen. Das Novum: KI-gesteuerte Roboter bearbeiten jedes Fahrzeug ganz individuell nach objektiven Qualitätsstandards. Das sorgt für stabilere Abläufe, kürzere Durchlaufzeiten und ein konstant hohes Qualitätsniveau bei den Fahrzeugoberflächen. In der Cloud gespeicherte Daten ermöglichen darüber hinaus eine optimale Analyse der Wirkzusammenhänge – und sind damit ein weiterer Schritt der BMW Group hin zur digitalen und intelligent-vernetzten Fabrik, der sogenannten BMW iFACTORY.
Lackieren, Schleifen, Polieren – mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu einzigartigen Abläufen
Die Szene wirkt wie ein lang geübtes Schauspiel: Vier Roboter stehen in der Bearbeitungskabine, in ihrer Mitte eine frisch lackierte Karosserie. Wie auf Kommando beginnen die Roboter die Karosserieoberfläche zu bearbeiten. Sie schleifen, tragen Polierpaste auf, polieren, wechseln die Aufsätze und erneuern das Schleifpapier. Kameras verfolgen das Szenario. „Das Besondere ist, dass die Roboter jede Karosserie genau da bearbeiten, wo es notwendig ist. Denn die winzigen Einschlüsse oder Unebenheiten, die nach dem Decklack-Prozess auftreten können und die wir beseitigen wollen, sind bei jedem Fahrzeug an einer anderen Stelle“, erklärt Stefan Auflitsch, Leiter Produktion Lack-Applikation und Finish im BMW Group Werk Regensburg. „Normalweise programmiert man Roboter, damit sie immer dasselbe Schema abarbeiten, bis sie wieder umprogrammiert werden. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz arbeiten die Roboter nun maßgeschneidert. Bei bis zu 1.000 Fahrzeugen, die wir an einem Arbeitstag durch das Finish schicken, sind das auch 1.000 einzigartige Abläufe.“ Seit März 2022 ist die Automatisierte Oberflächenbearbeitung, kurz AOB, im BMW Group Werk Regensburg im Serieneinsatz. Das Werk nutzt das KI-basierte Verfahren als erstes Automobilwerk weltweit in diesem Umfang. Damit es reibungslos funktioniert, ist ein anderes automatisiertes Verfahren vorgeschaltet, das in der Automobilindustrie schon einige Zeit als „State of the Art“ gilt: Die Automatisierte Oberflächeninspektion, kurz AOI, identifiziert und erfasst nach der Decklackierung zunächst die Merkmale, die es zu bearbeiten gilt.
Automatisierte_Oberflächenbearbeitung_im_BMW_Group_Werk_Regensburg. © BMW
Schwarz-weiß für mehr Durchblick: Vom Lichtstreifen zum digitalen Merkmal
Bei der Automatisierten Oberflächeninspektion identifiziert das System zunächst die abweichenden Merkmale mittels Deflektometrie. Während große Monitore schwarz-weiße Streifenmuster auf die Fahrzeugoberfläche projizieren, scannen Kameras dieselbe und erkennen durch die Verschiebung im Streifenmuster auch kleinste Veränderungen im spiegelnden Lack. Wie ein perfekt geschultes Auge registriert die Kamera die vom Ideal abweichenden Stellen und überträgt sie direkt ins angeschlossene Computersystem. Der Rechner speichert die exakte Lage, Form und Größe des Merkmals, konstruiert aus den Daten ein digitales 3D-Abbild und ordnet es auf der Basis objektiver Kriterien ein. So werden alle Fahrzeugoberflächen hinsichtlich ihrer Qualität im Sinne der Kunden geprüft und gegebenenfalls bearbeitet. „Wir haben das System mit dem Wissen unseres gesamten Teams finalisiert, die Funktion der Anlage beruht auf der einzigartigen Expertise unserer Mitarbeiter. Wir haben ihre Erfahrung in die Programmierung einfließen lassen – auf dieser Basis erkennt und entscheidet der Algorithmus jetzt objektiv, welche Merkmale nachbearbeitet werden müssen“, erklärt Projektleiter Daniel Poggensee, Strukturplaner in der Technologie Oberfläche. Aus den gesammelten Daten erstellt das System für jede Karosserie ein eigenes Merkmalprofil, das wiederum als Basis für die individuelle Bearbeitung der Oberfläche dient. So fällt keine noch so kleine Unebenheit unbeabsichtigt durchs Raster. Das neue Verfahren hat noch weitere Vorteile als die sichere Erkennung aller Merkmale und die kürzere Durchlaufzeit im Prozess: Die automatisierte Oberflächenbearbeitung bearbeitet nicht nur alle erfassten Merkmale in der optimalen Reihenfolge und Geschwindigkeit, sondern – stabil und wiederholgenau – in immer gleicher Bearbeitungsqualität.
Alle Daten in die Cloud – Schritt für Schritt zur vernetzten Fabrik
Doch auch der Einsatz der Roboter hat Grenzen. So können sie zum Beispiel die Ränder der Karosserie oder die letzten Millimeter neben Tür- und anderen Fugen nicht bearbeiten. Auch die Tankklappe ist zu fragil. Und so sind es im Finale doch die geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die letzte Hand anlegen und die Karosserie abnehmen. Die zuvor erfassten Daten der Merkmale unterstützen die Arbeit hier ein weiteres Mal, denn ein Laserprojektor markiert die jeweiligen Stellen der Karosserieoberfläche digital und stellt so sicher, dass nichts übersehen wird. Die sogenannte Automatisierte Oberflächenmarkierung, kurz AOM, ist damit der bisher letzte Schritt im automatisierten Finish. Doch für die Zukunft gibt es noch weitere Ideen, so Poggensee: „Zum einen erwarten wir, dass wir dank der Daten in der Cloud bei Ungereimtheiten bald noch früher in den Prozess eingreifen können und damit einen möglichen Fehler gar nicht erst entstehen lassen.“ Zum anderen sollen in Zukunft die genutzten Geräte die Arbeitsschritte der Mitarbeiter automatisch erfassen – und ihnen damit ersparen, für die Dokumentation ständig zwischen Karosserie und Rechner hin- und herzuwechseln. Neben dem geringeren Zeitaufwand reduziert dies dieKomplexität und steigert die Wertschöpfung.
Das BMW Group Werk Regensburg ist das erste Werk, das den dreistufigen automatisierten Prozess in der Serienproduktion nutzt. Ein Rollout auf weitere Werke wird derzeit geprüft.
www.press.bmwgroup.com
- gepostet am: Freitag, 05. Mai 2023