Offener Brief | Installation von Trinkwasserspendern in Regensburger Schulgebäuden
Ein Schüler beschreibt die Trinkwasserverhältnisse an Regensburger Schulen.
OFFENER BRIEF AN DIE STADTRÄTINNEN UND STADTRÄTE IN REGENSBURG
bzgl. Beschluss-Vorlage VO/24/20928/40 am 16. April 2024
Regensburg, 13. April 2024
Dringende Bitte um Unterstützung: Installation von Trinkwasserspendern in Regensburger Schulgebäuden bzgl. Beschluss-Vorlage VO/24/20928/40
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
Im Jahr 2023 haben wir die Stadt Regensburg um einen Wasserspender gebeten, da bereits mehrere Schülerinnen und Schüler unserer Grundschule im Hochsommer körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen und Übelkeit aufgrund der großen Hitze zeigten, und der Unterricht in den Klassenräumen nur mit geschlossenen Fenstern möglich war, aufgrund des Straßenlärms (Hauptstraße / Landshuter Straße) (Anlage 1).
Lehrer haben in ihrer Funktion die gesetzliche Fürsorgepflicht für das Wohlergehen der anvertrauten "Schutzbefohlenen" Schülerinnen und Schüler. Übertragen auf den Schulalltag heißt das, dass Lehrer für das Wohlergehen ihrer Schutzbefohlenen Schülerinnen und Schüler Sorge zu tragen haben. In Regensburg haben die Lehrer im Hochsommer mit tropischen Temperaturen nicht einmal die Möglichkeit, ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen und Kinder, die unter akuter Dehydrierung leiden und kurz vor dem Kollabieren stehen, präventiv mit Trinkwasser zu versorgen, mangels Wasserspender.
Im EU-Aktionsplan zur Bekämpfung der Adipositas im Kindesalter 2014-2020 heißt es, dass Initiativen zur Bereitstellung von frischem Trinkwasser für Kinder und Jugendliche in Schulen zur Förderung der Gesundheit und als Ersatz für zuckergesüßte Getränke Vorrang haben sollten. Schulen sollten eine sogenannte "geschützte Umgebung" sein (Anlage 2). So hat auch die Schulleitung Von-der-Tann Grundschule in Absprache mit dem Elternbeirat die Mitnahme von zuckerhaltigen Getränken ab dem Zeitpunkt der Installation der Wasserspender untersagt. Unsere Schule kämpft aktiv gegen die Volkskrankheit Übergewicht im Kindesalter. Gleichzeitig sensibilisiert sie die Schülerinnen und Schüler für Themen wie Nachhaltigkeit, Plastikvermeidung und Gesundheit.
Die Forderung nach Wasserspendern für die Schülerinnen und Schüler in Regensburg ist keine romantische Wunschliste im luftleeren Raum, die wir äußern möchten, sondern ein Grundrecht für alle Menschen in Europa. Anfang 2021 trat die EU-Trinkwasserverordnung in Kraft. In ihr steht unter anderem die Forderung, dass Maßnahmen ergriffen werden, die die "Kostenlose Bereitstellung von Wasser für den menschlichen Gebrauch in öffentlichen Verwaltungen und Gebäuden kostenlos ermöglichen". Damit müssen Städte allen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen. Dazu sollen sie etwa öffentliche Wasserspender aufstellen, um zum einen die Nutzung von Plastikflaschen zu verringern und zum anderen denen zu helfen, die keinen direkten Zugang zu Wasser haben (Anlage 7/Seite 9).
Die hygienische Entnahme von Leitungswasser in unserer Schule ist nicht möglich und wird auch in der Beschlussvorlage richtig dargestellt. Vor der Installation unseres Wasserspenders mussten die Kinder im zweiten Haus aus schmutzigen Waschbecken in den Toiletten das Wasser entnehmen. Dass hier seitens der Stadt Regensburg keine regelmäßige Keimprüfung auf Darmbakterien vorgenommen wird, ist uns ebenso nicht verständlich. Laut Beschlussvorlage ist es der Verwaltung bekannt, dass Kinder hier das Wasser auf den Toiletten trinken (Anlage 4).
Es ist zu begrüßen, dass die Stadt Regensburg unter anderem für Touristen öffentliche Trinkwasserspender & Brunnen aufgestellt hat. Auch ist es sinnvoll, dass in öffentlichen Gebäuden für die Besucher und die Angestellten vom Bürgerzentrum kostenlose Wasserspender installiert wurden. Lobenswert ist auch, dass ein Wasserspender im Rathaus installiert worden ist.
Aber ist es nicht ungerecht, dass über 20.000 Schülerinnen und Schüler als vulnerable Gruppe in Regensburg keinen Zugang zu sauberem und gekühltem Trinkwasser an heißen Tagen haben und somit bei den Grundrechten bewusst ausgenommen werden?
Unser Anliegen für einen Wasserspender wurde von der Stadt Regensburg abgelehnt, und erst mit Hilfe des Regensburger Bundestagsabgeordneten Stefan Schmidt konnte ein Sponsor gefunden werden, der die Kosten für die nächsten 24 Monate übernimmt (weitere Finanzierung ungeklärt). Nach der Installation wurden wir vom Schulamt mit unnötigen Auflagen (Zwang einer monatlichen Wasserbeprobung auf eigene Kosten) konfrontiert, die die Elternbeiratskasse komplett sprengen würden.
Leider ist es so, dass Kinder als die Schwächsten in unserer Gesellschaft keine Lobby und Stimme haben, das offenbart auch das "Regensburger Hitzemanagement", in dem in keiner Silbe die konkreten Bedürfnisse der Kinder und Schüler berücksichtigt oder evaluiert wurden (Anlage 3). Von zeitnahen Schattierungen auf den Außenflächen wie Spielplätze oder Schulen, für die immer heißer werdenden Sommer, als UV- und Sonnenschutz wagen wir nicht einmal zu träumen.
Auch verstehen wir nicht, warum in der Beschlussvorlage davon gesprochen wird, dass die Geräte gekauft werden sollen, für eine nicht nachvollziehbare Summe. Unser Wasserspender im ersten Haus der Von-der-Tann Grundschule wird von der REWAG in Regensburg gemietet und gewartet. Bei der REWAG kostet auf eigene Nachfrage, die Miete eines Wasserspenders im Rahmen eines "Contracting" inklusive Installation, Wartung und Service ca. 2.500 € pro Jahr ohne CO2 Flaschen (Anlage 6). Die überschaubaren Folgekosten für die CO2-Flaschen könnte der Elternbeirat selber finanzieren. Daher können wir die vielfach genannte höhere Summe im Beschluss nicht nachvollziehen.
Es ist uns unverständlich, warum die Stadt Regensburg nicht bei ihrer eigenen städtischen Tochter REWAG anfragt. Bei 40 Schulen (laut Beschlussvorlage) für ca. 20.000 Schüler wären das im Jahr ca. 100.000€ jährliche Kosten. Die Kosten pro Schüler belaufen sich somit nachweislich auf 41,6 Cent im Monat.
In der Beschlussvorlage wird argumentiert, dass die Ausgaben für die Wasserspender für alle Schulen weder vorgeschrieben noch zwingend erforderlich und auch nicht „förderfähig“ sind. Natürlich ist es leicht alles auf Regierung der Oberpfalz zu schieben, da die Haushaltslage verständlicherweise angespannt ist.
Viele Investitionen in Regensburg haben ihren Preis, aber die Frage nach ihrem Wert ist für uns Bürgerinnen und Bürger nicht immer nachvollziehbar.
Vor kurzem gab es einen Artikel über das Projekt "Artist in Residence" für zwei Wohnateliers für zwei Künstler von außerhalb, die von der Stadt Regensburg gefördert werden, mit jährlichen Kosten von 120.000€ für uns Steuerzahler. Laut Artikel (Anlage 5) sind diese 120.000€ pro Jahr nur "Peanuts", da dies nur 0,01 % des städtischen Haushalts entspricht. Auch wir sind dafür, dass die Kultur in Regensburg aktiv und nachhaltig gefördert wird.
Aber sollten wir als Gemeinschaft auch nicht "Peanuts" in die Kinder und somit in die Zukunft unserer Stadt investieren?
Mit freundlichen Grüßen,
Phuc Huynh - im Auftrag für den Elternbeirat Von-der-Tann-Grundschule Regensburg
Anlagen:
1.) Brief von unserem Schüler Tim an unsere Oberbürgermeisterin
2.) EU-Aktionsplan zur Bekämpfung der Adipositas
3.) Regensburger Hitzemanagement
4.) Beschlussvorschlag - Vorlage - VO/24/20928/40
5.) Artikel Regensburg Digital - „Artist in Residence“
6.) Angebot Rewag für einen Wasserspender
7.) EU-Trinkwasserverordnung
- gepostet am: Dienstag, 16. April 2024