Jubiläum | Serie V: Der Jahn von unten

Jubiläum | Serie V: Der Jahn von unten

Dauerfan: Franz Preuss in seiner Jahn-Bar.

 

Die Stadtzeitung begleitete den Traditionsverein in seiner ersten Zweitligasaison ein Jahr lang aus ungewöhnlichen Perspektiven.

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Als der SSV Jahn Regensburg am 30. Mai 2017 mit einem souveränen und höchstens von ausgerasteten, Sitzschalen und Plastikstangen werfenden „Löwen“-Fans gefährdeten 2:0 bei 1860 München den Aufstieg in die Zweite Bundesliga perfekt macht, brechen nicht nur bei den Anhängern der Rothosen alle Dämme. Auch der Verleger der Stadtzeitung, der den Jahn und seine Funktionäre nie für voll genommen hat, ist aus dem Häuschen und gibt noch in der Aufstiegsnacht die Order für eine neue Serie. „Wir müssen den SSV ein Jahr lang begleiten. Aber anders. Ein Jahr lang, dann steigen sie eh wieder ab.“

Ja, anders. Aber wie? „Mehr aus Fan-Sicht“, meint der Verleger. Die oftmals sträflich vernachlässigte Sportredaktion hat die zündende Idee: „Der Jahn von unten“ wird die Serie heißen. Geschrieben wird über Fans, darüber, wie Fans ankommen, was sie hinterlassen, wie sie nerven, wie sie begeistern.

DusseldorfFreibier
Rot-weiße Verbrüderung: Düsseldorfer Anhänger geben Jahn-Fans ein Bier aus.

Der größte und der allergrößte Fan

Da werden der größte und der allergrößte Jahn-Fan porträtiert. Patrick Heindl (27), der jedes Ergebnis kennt. Der in seinem Job als Altenpfleger schon mal blau macht, wenn es zum Auswärtsspiel nach Osnabrück oder Hamburg geht. Der sich von seiner Freundin trennt, weil sie „Event-Fan ist“ und der pro Saison einen Tausender in seine Liebe zum Jahn investiert: in Eintrittskarten, das Deutschlandticket für 35 Euro für auswärts, Bier und Bratwurst im Stadion und das Sky-Abo für die Spiele, die er nicht im Stadion sieht.

Oder Franz Preuß (63), der seit 50 Jahren auf den Jahnplatz geht, auch wenn der jetzt Continental-Arena heißt. Der sein Haus im Fußenberger Wasserwerk in ein regelrechtes Jahn-Museum umgestaltet hat. Mit mindestens einem Trikot für jedes Jahr Leiden und Hoffen mit Rot-Weiß. Mit Wimpeln, Spielplakaten, Autogrammkarten. Der seit Jahrzehnten Auswärtsfahrten organisiert und im Keller eine Jahn-Bar hat, in der schon die komplette Mannschaft auftauchte („mit dem Basler als Trainer vorneweg“). Und der nicht mehr jedes Spiel sehen kann, seit sie ihm den Fuß abgenommen haben und er bei Kälte große Schmerzen hat: „Das legendäre 4:3 gegen Düsseldorf nach 0:3 musste ich zu Hause fertig schauen. In der Halbzeit bin ich heim, weil mir alles weh tat.“ Trotzdem ist er bei jedem Spiel zum Anpfiff dabei.

Jahnclub1
Applaus: Jahn-Anhänger sorgen für beste Stimmung im Max-Morlock-Stadion.

Nervtöter und Stimmungsmacher

Die Serie geht auch kritisch mit den Fans um. Mit Ultras, die glauben, sie dürften die Unterstützung der Rot-Weißen für sich allein beanspruchen. Als Erfüllungsgehilfen derer, die zu gerne volle Stadien und gute Stimmung herzeigen, um mit der Ware Fußball Geld zu machen.

Fans als Kulisse – das beginnt mit den „Einpeitschern“ der Ultras. Zwei leicht übergewichtige Megafonschwinger geben von einer Staffelei aus den Ton an. Das klingt durch ihren unpassenden Sprechverstärker schrecklich quäkend bis jämmerlich jaulend. Die Einpeitscher stehen mit dem Rücken zum Spielfeld, sie bekommen vom Spiel wenig mit.

11 Zum Jammern: Ultras und ihre Einpeitscher.


Das offenbart in bestimmten Momenten eine fast schon großartige Peinlichkeit. Statt den Jahn bei einem Rückstand nach vorne zu peitschen, mit einem schneidenden, anfeuernden „Ess-Ess-Vau“, erfolgt ein Singsang vom Schwimm- und Sportverein, der immer die große Liebe sein wird. In schwerer Zeit und in tiefer Not. Das haben die Einpeitscher offenbar gerade auf der Playlist. Leider folgen ihnen zu viele bedingungs- und leider auch kritiklos. Einfach nur ein gruseliger Singsang. Emotionslos, einschläfernd, aber einstimmig.

Ganz anders die 2.500 Fans, die den Jahn an einem eiskalten Januar-Dienstag zum völlig verdienten 2:2 beim großen 1. FC Nürnberg trugen. Im Max-Morlock-Stadion waren die Anhänger des SSV stets auf Ballhöhe, peitschten ihre Mannschaft nach vorne, wenn es nötig war, feierten sie, wenn es das Spiel zuließ. Da war nichts vom „Schwimm- und Sportverein“, der an völlig unpassender Stelle „immer meine Liebe sein“ soll. Auch wohltuend: In einer Verletzungspause konnten die Leute die Klappe halten. Um dann im richtigen Moment einzusetzen: „Achtzehnhundertneunundachtig hey, hey.“ Großartig.

Richtig lustig wurde es auf der Heimfahrt im Sonderzug nach Regensburg. Als der Schaffner die Tickets der Fans überprüfen wollte, wurde er mit Sprechchören überhäuft: „Hey, hey, Super-Schaffner, Super-Schaffner!“

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Gerade auswärts kam die Unterstützung oftmals gut an, wahrscheinlich deshalb, weil da doch mehr echte Fans als ein Operettenpublikum dabei sind. Als die Stadtzeitung im letzten Teil der Serie nach allen Auswärtsspielen der Saison bei gegnerischen Fans und Verantwortlichen nach dem Auftritt der Jahn-Anhänger fragt, antwortete der Fanbeauftragte von Erzgebirge Aue: „Sie lieferten einen guten Support für ihre Mannschaft. Während der 90 Minuten, davor und danach, sind sie nur angenehm aufgefallen.“ Die Pressesprecherin von St. Pauli lobte die 1281 mitgereisten Fans: „Die Stimmung war gut, die Regensburger Fans haben ihre Mannschaft lautstark unterstützt. Sie sind gerngesehene Gäste am Millerntor.“

Die Kaiserslauterer Stadionzeitung „Hämspiel“ war sogar regelrecht begeistert von den Jahn-Anhängern: „Die Oberpfälzer sind von einem unerwartet großen Gästeanhang (ca. 1.000), von dem knapp die Hälfte mit dem ersten Sonderzug der Vereinsgeschichte angereist war, unterstützt worden. Zum Einlaufen zeigte der Gästeblock ein Intro mit roten Luftballons und ein paar rot-weißen Schwenkfahnen, welche auch noch fast über die gesamte Spieldauer zum Einsatz kamen. Abgerundet durch die roten Fischerhüte, sah das schon ordentlich aus.“

Die beste Auswärtsfahrt aus Sicht der Jahnfans dürfte trotz der 0:1-Niederlage die nach Düsseldorf gewesen sein: Die Fortunafans gaben allen 169 an einem Mittwochabend ins Rheinland gekommenen Regensburgern ein Altbier aus.

MeinPlatz
Mein Platz: Patrick Heindl zeigt seine Liebe zum SSV im ersten Teil der Serie.

Keine Kneipe, trotzdem rockt der Jahn die Welt

Das Sympathische an den Jahnfans bleibt die Liebe zum alten Jahnstadion. Niemals würden sie die neue Arena so nennen, der das Herzstück fehlt – eine Wirtschaft. Warum eigentlich? Die Stadtzeitung findet keine Antwort. Alle Fans wollen eine; selbst Martin Gottschalk, Sprecher der für das neue Stadion verantwortlichen Stadtwerke, findet eine Fankneipe „keine uncharmante Idee.“ Sie sei halt nur nicht vorgesehen. Platz für eine Holzhütte wie vor dem Ingolstädter Sportpark wäre aber da ...

11 Fantastic!Jahn-Aufkleber beim faszinierendsten Stadtion Eurpas – der Anfield Road.

Auch ohne Wirtshaus gehen die Jahnfans einem besonderen Sport nach: Jahn-Aufkleber überall! Die Stadtzeitung findet sie am Don-Juan-Denkmal, an der Bank vor dem Historischen Reichssaal, am Tor zum Fürstlichen Schloss. Ein Ultra zeigt Fotos mit Stickern aus Indonesien, Amerika, Griechenland. Die Jahn-Sticker der Ultras rocken die Welt. Und dann bekommt die RSZ selbst zwei Bilder zugeschickt: Ein Regensburger hat Aufkleber an der Anfield Road beim FC Liverpool und beim Wembley-Stadion in London hinterlassen. Das gibt Anerkennung in der Szene ...

Die Kehrseite

Die Stadtzeitung steigt auch ganz nach unten und geht mit dem Putztrupp auf Tour, der das Stadion nach den Spielen säubert. Dreck ist überall. Zigarettenkippen, Senf, Ketchup, Pommesschalen. Am schlimmsten ist es immer im Gästeblock. Die Reste der Bengalos schafft der Hochdruckreiniger. Doch die Auswärtsfans machen sich einen Spaß daraus, Toiletten zu verstopfen. Da läuft alles über, was normalerweise runtergespült wird. Ekel dürfen die Putzmänner nicht verspüren ...

Der besondere Teil

In einer Ausgabe widmet sich die Serie dem Jahn ganz anders von unten. Sie blickt auf den Amateurbereich des Vereins. Und dabei auf einen Schiedsrichter. Vinod Dhanraj (29) pfeift seit drei Jahren für den SSV. Das macht er so gut, dass er schnell in die Kreisliga Regensburg aufgestiegen ist – als erster pfeifender Inder!

Die Geschichte über den Siemens-Ingenieur als Unparteiischer kommt an – so sehr, dass selbst der DFB bei der Stadtzeitung nach der Erlaubnis zum Abdrucken der Fotos fragt und ein Porträt des Schiris im Internet veröffentlicht ...

Im Mai 2018 erscheint wie geplant der letzte Teil der Serie. Doch ganz anders als vorhergesagt steigt der Jahn nicht ab, beendet die Zweitligasaison sogar als Fünfter. Und die folgende als Achter. Die aktuelle Saison ist die dritte aufeinanderfolgende im Unterhaus.

Hoffentlich folgen weitere, dann könnte die Stadtzeitungsserie glatt wieder aufleben. Titel des ersten Teils: Wunder, an die niemand glaubte. (ssm)

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Jahn-Schiedsrichter: Vinod Dhanraj ist der erste Inder, der in der Kreisliga pfeift.

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

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