Nachgefragt | Touristenschreck Regensburg? – wie Müll und Kriminelle dem Image einer Stadt schaden

Nachgefragt | Touristenschreck Regensburg? – wie Müll und Kriminelle dem Image einer Stadt schaden

Wie stark verwahrlost Regensburg? Zwei Altstadt-Interessensvertreter berichten.

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Die einst saubere und sichere Welterbestadt Regensburg verwahrlost (wir haben berichtet): Überbordende Schmierereien, unzumutbare öffentliche Toiletten, Geschäftsleerstände im Herzen der Altstadt, ein schleichendes Müllproblem und Angsträume mit Drogendealern, Vergewaltigern und Banden von vor allem tunesischen Intensivstraftätern. Welche Auswirkungen hat das auf den Tourismus? Was sind die Zukunftsprognosen und wie kann man die Stadt noch retten? Wir haben bei einheimischen Tourismus- und Altstadt-Experten nachgefragt.

3 911874a0a0fd6c274b725b0c2129daa3Migrantenbanden rauben die Lebensqualität einer einst sicheren Stadt.
Bild: © ssm

 

Armin Gebhard von Gebhard Herrenausstatter & Trachten, Vorsitzender Regensburger Kaufleute e.V.

11 Bild: © A. Ellermeier

1. Welche Auswirkungen hat die schleichende Verschlampung der Stadt momentan auf den Tourismus? Was ist Ihnen aufgefallen?

Fest steht, die Situation im Bereich des Hauptbahnhofes ist unerträglich und Regensburg macht Deutschlandweit negative Schlagzeilen. Mit dem Zug ankommende Reisende müssen geschockt sein, von ihrem ersten Eindruck.

Die Stadtverwaltung malt sich die Welt schön und die meisten führenden Mitarbeiter fahren nach Feierabend (wenn sie nicht sogar Homeoffice machen) in ihr Zuhause im Landkreis und genießen ihre gepflegten Eigenheime.

Wir Unternehmer und Anwohner müssen uns tagtäglich mit der Situation auseinandersetzten. Wöchentlich muss ich bei meinem Fahrrad die Reifen flicken, da früh morgens die Altstadt einem Glasscherbenviertel gleicht.

Fassadenschmierereien müssen auf eigene Kosten aufwändig beseitigt werden.

Die nächtlichen Ruhestörungen sind belastend und nur erträglich, wenn man Lärmschutzfenster hat oder andere baulichen Veränderungen vorgenommen hat.

Meine Mädchen (8, 11, 14) dürfen ab Sonnenuntergang nicht mehr alleine auf die Straße, da die Gefahr von Übergriffen zu groß ist.

Der Geruch von Haschisch ist in den Gassen eine Selbstverständlichkeit.

Kot, Übergebenes und Uringerüche sind eine zusätzliche Belastung. Siehe auch unter den ersten Bogen der Steinernen Brücke oder unter die Eiserne Brücke.

(Einige Kneipenbesitzer lassen sich, wie selbstverständlich, den Müll ihrer nächtlichen Gäste täglich von den städtischen Straßenkehrern beseitigen. Darüber sollten die Kneipenbesitzer nachdenken.)

1Müllberge in der Silberne-Kranz-Gasse (hinter dem Alten Rathaus).
Bild: © A. Gebhard

2. Welche zukünftigen, langfristigen Folgen wird die Verwahrlosung der Stadt ihrer Meinung nach auf den Tourismus haben?

Folgen für den Tourismus, den Regensburg momentan anzieht, wird es kaum geben, da leider in vielen weiteren Städten die Situation kaum besser ist (Deutschland hat ein Problem).

Wünsche nach finanzstärkeren Gästen werden wohl nicht in Erfüllung gehen. Diese werden weiterhin die österreichischen Städte bevorzugen.

3. Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Ein radikaler Um- und Ausbau des Ordnungsamtes.

Eine Lösung wird mit der derzeitigen Stadtregierung nicht möglich sein. Die einzige Hoffnung sind die nächsten Kommunalwahlen in 24 Monaten (und die nächste Bundestagswahl…).

 

Kathrin Fuchshuber vom Hotel Münchner Hof, Vorsitzende Hotels-in-Regensburg e.V.

11 Bild: © AltstadtQuartier Hotel Münchner Hof, Fotograf: Jochen Quast

1. Welche Auswirkungen hat die schleichende Verschlampung der Stadt momentan auf den Tourismus? Was ist Ihnen aufgefallen?

Regensburg kämpft wie alle Großstädte mit einem gesellschaftlichen Phänomen: einem Mangel an gesellschaftlichem Miteinander und einer persönlichen Verantwortung für „meine Stadt“.

„Verschlampung“ suggeriert, dass Nachlässigkeit im Spiel ist. Hier muss aber in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass man die Verantwortung für saubere Straßen und Co. nicht gänzlich auf die Stadtverwaltung abwälzen kann. Jeder soll und kann mithelfen und zur Sauberkeit beitragen.

Im letzten Jahr erhitzen sich die Gemüter nach diversen Festen und Veranstaltungen in der Altstadt, vor allem am Müll, der noch am darauffolgenden Tag die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erheblich beeinträchtigte. Werden öffentliche Plätze an Externe vergeben, ist es an ihr, mit entsprechenden Fristen, Kautionen und im Notfall auch kostenpflichtigen Sofortmaßnahmen, den Veranstalter in die Pflicht zu nehmen.

Apropos für Ordnung sorgen – das Areal um den Hauptbahnhof, unser Eingangstor zur Stadt, sorgte in den letzten Wochen europaweit für negative Schlagzeilen. Mangelnde Sicherheit und Drogendelikte sind keine Botschafter für die Willkommenskultur, die wir leben. Hier gilt es eine umfassende und koordinierte Strategie zu entwickeln, die schnell greift, aber auch das Potential hat, mittelfristig weitere Verbesserungen einzubinden: Videoüberwachung und intelligente Beleuchtung gehören genauso dazu wie eine übersichtliche Gestaltung der Parkanlage. Und neue Nutzer. Warum nicht dort, in Kooperation mit lokalen Vereinen, beispielsweise einen natürlichen Agility Parcour für Hunde anlegen. Hundebesitzer, die dort mit ihren Hunden arbeiten, haben auch die Motivation, eine saubere Umgebung dafür zu haben. Den Besitzern beim Training zuzusehen, hätte sogar für die Passanten Unterhaltungswert und wäre ein altstadtnahes Novum.

Insgesamt werden wir von den Touristen, immer noch als eine saubere Stadt wahrgenommen. Vor ein paar Wochen hatte ich ein sehr nettes Gespräch mit einem Gast aus Duisburg. Für ihn ist Regensburg trotz all unserer wahrgenommen Probleme immer noch eine Insel der Glückseligkeit. O-Ton: „In Bayern ist die Welt halt noch in Ordnung.“

Wir sollten dies als positive Motivation annehmen, aber trotzdem kontinuierlich an einem „besser“ arbeiten und für Inspirationen offen sein.

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2. Welche zukünftigen, langfristigen Folgen wird die Verwahrlosung der Stadt ihrer Meinung nach auf den Tourismus haben?

Es liegt im ureigensten Interesse Regensburgs, die innerstädtische Lebensqualität zu erhalten bzw. diese noch zu verbessern. Deshalb, denke ich, werden gerade die Gastgeber in Regensburg sich weiterhin mit aller Kraft gegen eine Verwahrlosung stemmen und versuchen, innovative Ansätze zu liefern und Koalitionen für mehr Lebensqualität zu schmieden.

Wir brauchen Lösungsansätze für allgemein feststellbare Problemstellungen.

Achtlos weggeworfener Müll ist schon immer ein Problem. Erste regulatorisch Schritte gegen den Verpackungsmaterial- und to go-Müll sind schon getan.

Ich möchte an dieser Stelle auch die Damen und Herren der Müllbeseitigung der Stadt Regensburg lobend erwähnen. Sie stemmen sich mit aller Kraft gegen Verwahrlosungstendenzen und verdienen weitergehende Unterstützung

Aktuell ist in jedem Fall die bundesweite negative Presse zum Thema Sicherheit im Bahnhofsumfeld für den Tourismus nicht förderlich, hier wird mit Hochdruck an Sofortmaßnahmen gearbeitet. Was nicht bedeutet, dass längerfristig nicht auch soziale Projekte und Unterstützungsmaßnahmen dort Wirkung entfalten sollten.

Eine nicht funktionierende Behinderten-Toilette am Neupfarrplatz sollte es gar nicht in die sozialen Medien oder sogar in die Presse schaffen – weil sie vorher schon wieder in Gang gesetzt wurde.

Was wir brauchen, ist eine flexible Verwaltung, die übergreifend zusammenarbeitet. So lassen sich Maßnahmen verwirklichen, die mehr an Fakten als an Meinung(smache) orientiert sind, die auch einmal komplex oder individuell sein dürfen. Dann werden sich die Bevölkerung wie die Touristen in Regensburg weiterhin wohlfühlen.

3. Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Vielleicht gelingt es uns ja, die Menschen langfristig wieder ein klein wenig zu sensibilisieren. Der Denkansatz ist denkbar einfach: Behandle alle anderen Menschen und deine Umwelt so, wie du gerne behandelt werden willst.

Die Einwohner sollten stolz auf ihre wunderbare Stadt sein und sich für diese verantwortlich fühlen, dazu gehört der Respekt vor dem Allgemeingut und dem persönlichen Eigentum des anderen.

Bis dieses Umdenken stattfindet unterstütze ich mehr Videoüberwachung an Brennpunkten, eine intelligente Beleuchtung und auch eine regelmäßige Präsenz von Polizeikräften vor Ort, um das Sicherheitsgefühl zu stärken.

Aber auch in der „Hilfe zur Selbsthilfe“ könnte ein Ansatz sein – in Köln hat sich die „Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit“ gegründet und ist eine bekannte ehrenamtliche Müllsammel-Truppe. In Regensburg gibt’s die Müllräum-Aktion "DRECKSPATZ" des BDS Regensburg – aber leider immer nur temporär.

Auch die Regensburg Tourismus GmbH sollte hier Verantwortung übernehmen, wenn unsere Gäste sich in der Stadt und auf unseren Plätzen sicher- und wohlfühlen sollen. Dazu gehören nun einmal funktionierende Toiletten, saubere Straßen und Plätze. Nachhaltigkeitssiegel für die Betriebe vor Ort haben nur Wert, wenn das große Ganze nachhaltige Lebensqualität repräsentiert. Hier könnte eine Zentrale für Koordination und schnelles Handeln angesiedelt sein, wenn Mängel gemeldet werden.

Schmierereien sind in Regensburg auch kein neues Problem. Die Hauswände an der Donau sind seit Jahrzehnten ein beliebtes Ziel. Da sind auch ein paar gute Graffittis dabei. Aber warum nicht auf Basis erarbeiteter Vorgaben, eine von Kennern kuratierte Freiluft-Galerie mit Wandbild-Künstlern aus aller Welt schaffen? So könnte sich ein buntes Band an Themenwänden mit Regensburg Bezug entlang der Altstadt ziehen, das nicht nervt, sondern in seiner Vielfalt überzeugt – und für das ansässige Firmen Patenschaften übernehmen könnten. Es ist nachgewiesen, dass so „besetzte“ Flächen in der Regel respektiert werden.

Unter dem Thema „Stadtbegrünung“ habe ich noch eine Anmerkung zu den Bäumen, die derzeit Maxstraße und Neupfarrplatz „zieren“ – sie sind für mich ein Symbol für Aktionismus ohne Mehrwert. In ihrer Plastikverpackung können sie im wahrsten Sinne des Wortes keine Wurzeln in Regensburg schlagen, bieten weder Sonnenschutz noch Chancen für eine wachsende Biodiversität und dienen leider als Aschenbecher. Wenn dank innovativer Technologie heute nachhaltige Gärten mit Hecken und sogar Bäumen auf Dächern geschaffen werden können – warum dann nicht auch auf öffentlichen Plätzen?

Den Dreiklang von Sauberkeit, Ruhe und Sicherheit zu optimieren, kann schon bei der Wahl der Kehrmaschinen anfangen. Eine „Smart City“, wie es Regensburg werden will, sollte neue Technologien nutzen: Kehrmaschinen sind, wie beispielsweise in Potsdam eingesetzt, sind heute schon in der Lage, den Müll bei Aufnahme nach Zigarettenstummeln, Papier, Glas, Spritzen, Aludosen oder auch Laub zu unterscheiden und deren Lage aufzuzeichnen. Auf Basis belastbarer Daten können so die Routen und Intervalle optimiert werden. Mit Transparenz entsteht bei der Bevölkerung auch vielleicht ein stärkeres Problembewusstsein. Wer hätte gedacht, dass eine Kehrmaschine in Aargau in nur drei Monaten Testbetrieb auf ihrer Route mehr als 280.000 Zigarettenstummel entfernen musste?

Wenn Regensburg für die nächsten Generationen attraktiv bleiben soll, braucht es aus meiner Sicht einen weniger rigiden Umgang mit dem Denkmalschutz: Bäume sollten auf Plätzen gepflanzt werden dürfen, Sonnensegel ganze Plätze überspannen, Häuser begrünt und Fassaden bemalt werden können – nicht alle und immer und überall – aber ein paar visionäre Ansätze würden uns schon gut zu Gesicht stehen.

 

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Bild: © lnw

 

Daniela Wiese von der Regensburg Tourismus GmbH

Gerne möchten wir antworten, wir sehen tatsächlich keine grundlegende „Verwahrlosung“ der Stadt. Und wir spüren auch keine „negativen Folgen“ für den Tourismus. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle der Stadt.

 

Wir verstehen, dass man als städtisches Unternehmen nicht als Nestbeschmutzer dastehen will. Aber die Zustände in Regensburg sind nicht mehr schönzureden. Diese „Kopf-in-den-Sand-Strategie“ jedenfalls wird zur Problemlösung nichts beitragen. Die Stadtzeitung wird auch weiterhin schonungslos berichten. (lnw)

 


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© Regensburger Stadtzeitung