
Nachgefragt | Regensburger Jahresausblick – das kommt 2020 auf uns zu
Die Korruptionsaffäre um den vom Dienst suspendierten OB Joachim Wolbergs beschäftigt die Stadt bald schon im vierten Jahr. Ende Januar 2020 soll nach dem Terminplan des Landgerichts das Urteil im zweiten Prozess gegen den früheren SPD-Rathauschef und jetzigen Spitzenfunktionär des Wahlvereins „Die Brücke“ fallen, der diesmal ja auch wegen Bestechlichkeit angeklagt ist. Durch vielfältige Verzögerungen dürfte dieser Zeitplan aber wohl nicht mehr zu halten sein.
Zwar hat Wolbergs in diesem Verfahren keine Richterin, die ihm so mütterlich begegnet wie Elke Escher im ersten Prozess, doch das Ergebnis wird wohl das gleiche sein: Egal, wie das Urteil ausfällt, entweder die Staatsanwaltschaft oder Wolbergs werden Revision einlegen. Bis über diese entschieden ist, wird noch viel Zeit ins Land gehen. Die Stadtzeitung wagt die Prognose, dass die Korruptionsaffäre 2020 jedenfalls noch nicht abgeschlossen ist.
Joachim Wolbergs wird auch zu Beginn des Jahres 2020 öfter im Saal 104 des Landgerichts sitzen, das Urteil fällt wohl erst im Frühjahr.
Die Wahl 2020 – wer wird Chef im Rathaus?
Damit dürfte zumindest ziemlich sicher sein: Joachim Wolbergs ist bis zur Kommunalwahl am 15. März 2020 nicht rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt, die es ihm unmöglich machen würde, das Amt des Oberbürgermeisters erneut zu bekleiden. Heißt: Er könnte trotz ungeklärter Korruptionsaffäre den Titel des Rathauschefs verteidigen – pikant!
Denn die Landesanwaltschaft würde Wolbergs – sollte er tatsächlich ein zweites Mal OB werden – wohl weiter vom Dienst suspendieren und Regensburg bliebe abermals in einer Art Schockstarre, weil im Rathaus einfach jemand fehlt, der der Verwaltung zeigt, wo es lang geht.
Stärken und Schwächen der Kandidaten
Wolbergs hat mit seiner Brücke genug Unterstützer für eine eigene Stadtratsliste gefunden und es gibt nicht wenige, die in ihm eine Art Märtyrer sehen, nachdem die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen wiederholt weit über das Ziel hinausgeschossen war (die Stadtzeitung berichtete). Es dürfte nicht auszuschließen sein, dass er es bei neun OB-Kandidaten sogar in die Stichwahl schafft. Wolbergs ist zweifellos ein Menschenfänger, der sein Klientel zu überzeugen weiß. Die Korruptionsaffäre und die Verurteilung wegen Vorteilsannahme schaden ihm aber natürlich. Trotzdem traut die RSZ der Brücke fünf Sitze im Stadtrat zu.

Die derzeitige Übergangsrathauschefin Gertrud Maltz-Schwarzfischer geht für die SPD ins Rennen. Ihre Stärke: Nach Wolbergs‘ Suspendierung wurde sie als Stellvertreterin ins kalte Wasser geworfen und hat es geschafft, unaufgeregt die Dinge zu verwalten und etwas Ruhe in die Stadtpolitik zu bringen. Ihre Schwäche: Sie verwaltet eben nur. Immer wieder entsteht der Eindruck, nicht sie bestimmt, was in der Stadt passiert, sondern die Verwaltung. Die SPD, in Bayern und im Bund ohnedies im freien Fall, dürfte in Regensburg auch wegen der Brücke nochmals ziemlich verlieren. Tipp der RSZ: Statt bisher 17 Sitze werden es nur noch sechs.
Ludwig Artinger (Freie Wähler) gilt als seriöser, verlässlicher Mann mit großem Potential. Der Richter kann auch Versäumnisse der bunten Koalition (der er ja angehört) selbstkritisch einräumen. Das macht ihn sehr glaubwürdig. Sein Pech: Auch wenn seine Partei im Aufwind ist, gilt er im Kampf um den OB-Sessel noch als Außenseiter. Immerhin könnten die FW unter seiner Führung ihre Stadtratsmandate verdoppeln – von drei auf sechs.
Ähnlich verhält es sich bei Stefan Christoph. Die Grünen dürfen damit rechnen, in Regensburg großer Gewinner der Wahl zu werden, vielleicht zweitgrößte Fraktion im Stadtrat mit neun oder zehn Sitzen. Christoph wird trotzdem nicht OB werden – er ist schlichtweg zu unbekannt und langweilig. Hätte sich Jürgen Mistol aufstellen lassen – die Grünen hätten gute Chancen gehabt, den nächsten OB zu stellen.
Keine große Rolle dürften die Kandidaten Horst Meierhofer (FDP / RSZ-Tipp: 2 Sitze), Bernhard Suttner (ÖDP / 3 Sitze) Irmgard Freihoffer (Linke / 2 Sitze) Christian Janele (CSB / 1 Sitz) bei der OB-Wahl spielen. Tina Lorenz (Piraten) wird sich wohl aus dem Stadtrat verabschieden. Dafür dürfte aber die AfD (stellt keinen OB-Kandidat) mit vier oder fünf Sitzen einziehen.
Ludwig Artinger: seriöser, verlässlicher Mann mit großem Potential.
Er dürfte keine große Rolle bei der Wahl spielen: Horst Meierhofer.
Bauen, Bauen, Bauen
Nicht nur im Stadtrat, auch im Stadtbild dürfte sich einiges ändern. Am Ernst-Reuter-Platz wird der Wirsingbau fallen, der provisorische Busbahnhof (warum nicht gleich der richtige gebaut wird, hat noch immer niemand richtig schlüssig erklärt) entsteht dort.
Dieses Bild wird es 2020 nicht mehr geben: Der Wirsingbau am Ernst-Reuter-Platz weicht dem provisorischen Busparkplatz.
Das Dörnbergviertel wird erschlossen (Kosten: insgesamt 3.7 Millionen Euro), die neue Klenzebrücke verbindet es mit Königswiesen. In Burgweinting entsteht ein neues Industrie- und Wohngebiet, an der Guerickestraße auf dem ehemaligen Bosch-Gelände werden günstige Wohnungen gebaut.
Wo einst die Prinz-Leopold-Kaserne stand, sollen eine Leichtathletikhalle und ein neues Schwimmbad hochgezogen werden (kosten zusammen 23,5 Millionen Euro). An der Franz-Josef-Strauß-Allee wächst das neue Depot der städtischen Museen in die Höhe (mit rund 28 Millionen Euro veranschlagt). Die Kerschensteiner Berufsschule und die Grundschule Königswiesen sollen erweitert, die Schule am Sallerner Berg saniert und die Kreuzschule auf dem ehemaligen Jahnstadion-Gelände weitergebaut werden.
Sorge um Jahn und EVR
Und da sind ja auch noch die beiden großen Sportvereine! Bei beiden sind wir in Sorge, beim EVR wegen seines sportlichen Niedergangs, beim Jahn wegen des sportlichen Erfolgs.
Die Eishockeyspieler kommen in den letzten Spielzeiten einfach nicht richtig voran, in der aktuellen Saison muss sogar um den Oberligaverbleib gebangt werden! Eigentlich sollte es ja kein Problem sein, zwei Mannschaften hinter sich zu lassen, um wenigstens in die Playoffs einzuziehen. Doch der EVR ist mal über dem Strich, mal darunter. Das sieht trotz des Trainerwechsels eher nach einer Durchwürgerunde aus.
Viel mehr Freude machen uns die Kicker vom Jahn. Jede Zweitligasaison ist ein Geschenk für die Stadt und auch wenn der zwischenzeitlich erreichte obere Tabellenplatz bei der Ausgeglichenheit der Liga nicht unbedingt die große Aussagekraft besitzt, sieht es doch sehr danach aus, als solle die Liga gehalten werden können. Zu den drei geschenkten Jahren dürfte im Sommer ein viertes dazukommen – und das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit.
Doch in diese Freude mischt sich auch etwas Wehmut: Kapitän Marco Grüttner, gerne als „Mentalitätsmonster“ beschriebener Vorkämpfer auf dem Platz, geht aus familiären Gründen zurück nach Baden-Württemberg. Und der SSV droht auch noch eine andere Führungsfigur zu verlieren! Sportdirektor und Geschäftsführer Christian Keller sagte im Kicker: „Ich mache das jetzt seit sechseinhalb Jahren, (...) es ist wirklich sehr zeitintensiv. Ich muss daher in erster Linie eine private Entscheidung treffen. Außerdem sollte man sich immer die Frage stellen, ob man nach so langer Zeit einem Klub auch noch die richtigen Impulse geben kann.“
Das klingt nach Abschied im Sommer 2020 – und es wäre ein herber Verlust. Denn Keller war es, der mit den Trainerverpflichtungen Weinzierl, Herrlich, Beierlorzer und jetzt Selimbegovic stets den Richtigen holte und trotz schmalem Geldbeutel immer eine schlagkräftige Truppe zusammenstellte.
A3 bleibt Nerv-Baustelle
Im nächsten Jahr werden die Autofahrer rund um Regensburg wieder viele Stunden im Stau verbringen. Besonderes Sorgenkind bleibt dabei die A3, die ja auf 15 Kilometern Länge für 230 Millionen Euro sechsspurig ausgebaut wird. Bis 2024 werden deshalb die Fahrspuren verengt, es gilt Tempo 80.
Auch 2020 wird es im Zusammenhang mit dem Ausbau mehrere Vollsperrungen (jeweils Samstagabend bis Sonntagnachmittag) geben, die erste gleich von 18. bis 19. Januar zwischen dem Autobahnkreuz Regensburg und Rosenhof in beiden Richtungen. Weitere Sperrungen: 20./21. Juni (erneut zwischen dem Kreuz Regensburg und Rosenhof in beide Richtungen) und 17./18. Oktober (zwischen Burgweinting und Rosenhof in Richtung Passau, zwischen Rosenhof und Regensburg-Ost in Richtung Nürnberg).
Die A3 wird sechsspurig ausgebaut.
Festivals, Festivals, Festivals
Neben dem Jazzweekend (16. bis 19. Juli 2020) und den Odeon-Schlossfestpielen (17. bis 26. Juli, u. a. mit Xavier Naidoo, Sarah Connor und David Garrett) gibt es im nächsten Jahr auch die Neuauflage des „Heimatliebe“-Festivals (im Juni)!
Außerdem wird es besonders im Juli auf dem Pürkelgut-Gelände hoch hergehen. Am 4. Juli gibt es das „Holi-Festival of Colours“, am 11. Juli „Love, Peace und Blasmusik“ und am 18. Juli die „Ole-Party“ mit vielen Ballermann-Stars wie Michael Wendler, Ikke Hüftgold, Giovanni Zarella, Mia Julia oder Die Atzen. Eine Neuauflage des Elektro-Festivals „Zuckerbrot und Peitsche“ ist ebenfalls auf dem Pürkelgut geplant.
Was macht der neue Kulturreferent?
Mit Spannung wird erwartet, wie der neue Kulturreferent Wolfgang Dersch sein erstes großes Projekt in die Tat umsetzt. Das kulturelle Jahresthema der Stadt lautet heuer nicht unpassend „Provinz – Stadt – Metropole“ und zeichnet die Entwicklung der Stadt nach (auch wenn Spötter sagen, dass Regensburg kulturell noch immer Provinz ist).
Das Kulturreferat wird in Kooperation mit der Universität Regensburg eine Vortragsreihe konzipieren. Lokale Experten sowie hochkarätige auswärtige Referenten sollen wichtige Wegmarken beleuchten – von der Spätantike bis hin zur Gegenwart. Angekündigt wird das Ganze als „unterhaltsame und informative Reise durch die Höhen und Tiefen der Stadtgeschichte“. Möge die Übung gelingen! (ssm)
Die „Nachgefragt“-Reihe
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- 22.05. Auflösung: Was zum Teufel ist das für ein Stollen? (Regensburger Unterwelten)
- 08.05. Was zum Teufel ist das für ein Stollen? (Regensburger Unterwelten)
- 02.05. Schmierer-Welterbestadt Regensburg?
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- 24.01. Martyrium für den Denkmalschutz? Prof. Egon Greipl vom Bayerischen Staat in den Ruin getrieben
- 24.01. Grüne fallen um, Containerdepot ist auf dem Weg
- 24.01. Nach Insiderinfo: Grüne stehen mal wieder vorm Umfallen
- 22.01. Kippt Projekt Containerdepot? CSU will Anwohner und Natur vor Flächenfraß schützen
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- 26.10. Ist zerstörte Natur zu ersetzen? (Flächenfraß in Regensburg, Teil III/III)
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- 23.09. Wolfgang Haarer: Rock ʼnʼ Roll und Eskapaden
- 23.09. Baumkiller „Sportpark Ost“? (Flächenfraß in Regensburg, Teil II/III)
- 19.09. Containerdepot der Bahn sorgt für Protest (Flächenfraß in Regensburg, Teil I/III)
- 13.09. Kunst darf alles – in Regensburg nicht?
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- Endlich Wahlen! – die Kommunalwahl in Regensburg
- Der Bürger will mitreden (Bürger, wehrt Euch!, Teil VI)
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- Erich Gohl: Was schiefgeht, hängt nicht
- Gehört die Stadt den Radl-Rambos? (Bürger, wehrt Euch!, Teil V)
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- Die Stadt mal wieder voll daneben (Bürger, wehrt Euch!, Teil IV)
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Nachgefragt:
- Dauerkarte I: Der Dauergast: Joachim Wolbergs (Korruptionsaffäre)
- Dauerkarte II: Der Abkassierer: Norbert Hartl
- Dauerkarte III: Unger, Unger immer wieder Unger!
- Die Baumpaten und das ökologische Bewusstsein der Stadtzeitung (RKK)
Die RSZ feiert 35-Jähriges! Mehr Artikel aus der Jubiläumsausgabe hier und nachfolgend:
- 1984
- Beamte, Busen, Paragraphen
- Die Goldgräberstimmung
- Schöne und nackte Mädchen
- Kurioses aus dem Anzeigenverkauf
- Der Kunde, der nie mehr kam
- Dauerkarte I: Der Dauergast: Joachim Wolbergs (Korruptionsaffäre)
- Dauerkarte II: Der Abkassierer: Norbert Hartl
- Peter K. und sein geheimnisvolles Buch
- Konservativ und unkonventionell
- Serie I: Regensburg – wie wir wurden, was wir sind
- Serie II: Besondere Plätze in Regensburg
- Das Scharfgericht für die Wirte
- Anekdoten aus 35 Jahren Regensburger Stadtzeitung
- Die Baumpaten und das ökologische Bewusstsein der Stadtzeitung (RKK)
- Serie III: Wie aus einer anderen Zeit
- Die Maulhelden und ihre Bücher
- Serie IV: In aller Herren Länder
- Serie V: Der Jahn von unten
- Die großartige Fußballkarriere der Stadtzeitung
- Die Stadtzeitung im Osten
- Der Mann, aus dem was wurde: Ulrich Lechte
- Die Frau, aus der was wurde: Juliette Greco
- Best-of Profile & Parolen
- Dauerkarte III: Unger, Unger immer wieder Unger!
- In & Out: Rückblick
- Der Veranstaltungsservice: Alles begann mit dem Bürgerfest
- Derblecken à la Regensburg
- Als der Papst kam
- Vom Sommerfest zum Truthahnfest
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- Wirbel um neue Taxi-App (Bürger, wehrt Euch!, Teil III)
- Außen pfui, innen – naja
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- Zwischen Knast und Freispruch (Korruptionsaffäre)
- Und sie schämen sich doch! (Bürger, wehrt Euch!, Teil II)
- Ein Mann und seine Welt
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- Nach Pleiten, Pech und Pannen: Showdown im Wolbergs-Prozess (Korruptionsaffäre)
- Grün kaputt in Kumpfmühl (Bürger, wehrt Euch!, Teil I)
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- Der gebrochene Mann (Korruptionsaffäre)
- Faule Tricks mit unseren Bäumen – kommt Stadthalle über die Hintertür? (RKK)
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- Gewogen und für zu leicht befunden? (Korruptionsaffäre)
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- Der Artikel, der bundesweit Wellen schlägt: Was ist los bei der Staatsanwaltschaft? (Korruptionsaffäre)
- Personalie Becker (Korruptionsaffäre)
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- Es bleibt – eine Tragödie (Korruptionsaffäre)
- Liebe, Bedingungslos (Korruptionsaffäre)
- Ein Ordnungsamt komplett daneben
- Bürger fordern: Stoppt das RKK-Monster! (RKK)
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- Neuer Ausschreibungsskandal um Mauschelein im Stadion? (Korruptionsaffäre)
- 600.000 Euro unterschlagen?
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- Joachim Wolbergs – eine Tragödie (Korruptionsaffäre)
- Und das wollt ihr alles zerstören! (RKK)
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- Wolbergs-Affäre – Walter tritt aus SPD aus (Korruptionsaffäre)
- Stadthalle: Der Widerstand wächst (RKK)
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- Anklage da! (Korruptionsaffäre)
- „Süddeutsche Zeitung“ weiter im Sinkflug
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- Wolbergs: Jetzt gehts los! (Korruptionsaffäre)
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- Der peinliche Sozi kapiert es nicht (Korruptionsaffäre)
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- Extra-Wurst für den OB a.D. (Korruptionsaffäre)
- Hartl, verschwinde! (Korruptionsaffäre)
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- Ein Mann und seine eigene Welt (Korruptionsaffäre)
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- Wie lange noch? (Korruptionsaffäre)
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- Spendenskandal (Korruptionsaffäre)
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Das „RKK-Monster“
- gepostet am: Donnerstag, 05. Dezember 2019