Nachgefragt | Der gebrochene Mann

Nachgefragt | Der gebrochene Mann

Es geht nicht anders: Man muss Mitleid haben mit diesem Mann. In Sakko und Hemd steht er stets da, am Revers den Anstecker mit dem Wappen der Stadt, zu deren Oberbürgermeister er vor fünf Jahren gewählt wurde. Fest blickt er in die Kamera, an jedem Freitag verkündet er über Facebook kämpferisch seine Sicht der Dinge und wirkt doch müde, ausgelaugt und bisweilen fahl im Gesicht. Fast schon verzweifelt versucht er, Boden gutzumachen, Sympathien zurückzugewinnen bei den Leuten, die in ihm einst den großen Hoffnungsträger der Stadt sahen. Joachim Wolbergs, der Bestechlichkeit und der Vorteilsannahme beschuldigter und vom Dienst suspendierter Rathauschef, reibt sich auf in einer Auseinandersetzung, an deren Ende es nur Verlierer geben dürfte.

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Seit bald drei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn, in verschiedenen Verfahren ist Anklage gegen den SPD-Politiker erhoben worden. In allen Fällen sollen über seinen Ortsverein Spenden von Bau-Unternehmen an ihn geflossen sein, die höchste Gesamtsumme liegt bei fast 500.000 Euro, die niedrigste bei 5.000 Euro (alle Hintergründe zur Korruptionsaffäre unter www.regensburger-stadtzeitung. de). Dafür soll Wolbergs den Immobilienfirmen lukrative Aufträge zugeschustert haben oder wenigstens gewogen gestimmt worden sein, sich für ihre Bauvorhaben einzusetzen. Seit 2016 haben ihn die Staatsanwälte in der Mangel, Anfang 2018 schickten sie ihn sogar für sechs Wochen in U-Haft. All das hat ihn schwer gezeichnet.

Joachim Wolbergs vermittelt bei seinen Internet-Auftritten tatsächlich den Eindruck, als glaube er felsenfest an seine Unschuld. Er spricht mal zehn Minuten, mal 31, sagt immer wieder: „Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben etwas getan, weil ich …“ und dann kommt irgendetwas wie „dafür Geld bekommen habe“. Wolbergs tritt in Gasthäusern auf, in Kürn, im Tarantino’s, im Leeren Beutel, im Wiendl, bei Dombrowsky in der Buchhandlung. Überall, um den Leuten zu erklären, er sei unschuldig. Eine Art Tournee also in Sachen „Bitte glaubt mir!“ Wer mag, kann ihn auch direkt per Mail anschreiben oder ihn gleich zu sich nach Hause einladen. Zu einer Art Tupperware-Abend, bei dem man ihm seine Sicht der Geschichte abkaufen soll. Sein unorthodoxer Kampf ist bundesweit völlig ohne Beispiel und wird mit Sicherheit in juristische Kommentare und Lehrbücher eingehen. Doch es ist auch ein Kampf gegen Windmühlen. Einer, der Wolbergs Seelenhygiene vielleicht gut tut; ob er ihm in der Sache umfassend hilft, ist fraglich.

Denn: Ja, nach alledem, was seit 24. September 2018 im ersten Verfahren gegen Wolbergs (im Zusammenhang mit der Nibelungenkaserne) bekannt geworden ist, war der Haftbefehl gegen ihn möglicherweise überzogen. Wolbergs punktet auch beim Vorwurf, für seine Schwiegermutter und seine Mutter habe es beim Kauf von Tretzel-Wohnungen außerordentliche Preisnachlässe gegeben. Da führt er vielleicht zurecht an, dass niemand mehr für eine vergleichbare Wohnung bezahlt habe, als die Mutter seiner Ehefrau und dass seine Mutter lediglich einen mittleren Rabatt bekommen habe – andere zahlten womöglich weniger. Der angeblich außerordentlich günstige Kredit für Tretzel, den Wolbergs als Sparkassen-Aufsichtsratschef als Gegenleistung für dessen Spendenvolumen von der rund halben Million Euro eingefädelt haben soll, war zwar günstig, wäre aber auch bei anderen Banken vielleicht so in die Wege geleitet worden.

Doch die Hauptvorwürfe sind nicht wirklich entkräftet: Etwa der, dass es ein Spendenstückelungssystem bei den Tretzel-Zuwendungen über Strohmänner gab, die immer genau so viel Geld überwiesen, dass die Summe von 10000 Euro haarscharf nicht erreicht wurde, bei der die Herkunft der Spende offenzulegen ist. Dass diese Strohmänner das Geld, das sie an Wolbergs‘ Ortsverein überwiesen, oft als Gehaltszahlung deklariert vorgeschossen bekamen. Oder der, dass das Nibelungenkasernen-Areal eigentlich schon vergeben war, Tretzel dabei aber nicht so zum Zuge gekommen wäre und Wolbergs eine zweite Ausschreibung vornehmen ließ. Die dann aber genau auf Tretzel zugeschnitten war, was die Mail von Ex-SPDFraktionschef Norbert Hartl an den Bau-Unternehmer nahelegt, in der er diesen bittet, Änderungswünsche mitzuteilen und die auch an Joachim Wolbergs ging.

Wolbergs will vieles nicht mitbekommen haben. „Das hat mich einfach nicht interessiert“, sagt er oft. Gerne auch: „Das war mir wurscht!“ Die Hartl-Mail, die Herkunft der Spenden, die Preis-Verhandlungen für die Wohnungen der Verwandten – all das soll an ihm vorbeigegangen sein. Da habe er vielleicht geschlampt, sagt Wolbergs. Aber er habe nie „etwas strafrechtlich Relevantes getan und schon gar nicht mit Absicht“.

Die Stadtzeitung begleitet Wolbergs seit Jahrzehnten, immer wieder wurden seine Unternehmungen kritisch hinterfragt. Dabei hat die Redaktion die Überzeugung gewonnen, dass das Persönlichkeitsbild, das er selbst und auch seine Ehefrau bei Gericht von ihm zeichneten, durchaus stimmen mag: Immer wieder hat Wolbergs eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag gelegt, sich um Dinge einfach nicht gekümmert oder sie nicht so eng gesehen.

Doch es ist natürlich ein Unterschied, ob er als Geschäftsführer der Alten Mälzerei Personal der öffentlich geförderten Kulturfabrik in einem privaten Unternehmen einsetzt und gegen deren Satzung verstößt oder ob er als Oberbürgermeister Dinge durchgehen lässt – ob bewusst oder unbewusst, ob als Mitwisser oder Ignorant. Die Umstände eines 100-Millionen-Auftrags durch die Stadt sind etwas anderes als ein fünfjähriger Verzicht auf eine Mitgliederversammlung bei der Mälzerei.

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Genau darin liegt die Tragik – Wolbergs scheint nicht zu erkennen, dass er möglicherweise dafür – auch strafrechtliche – Verantwortung übernehmen muss. Er verrennt sich in seiner Sicht der Dinge, die aber weder der objektiven Wahrnehmung noch der einer ihm gewiss nicht feindlich gesinnten Vorsitzenden Richterin entsprechen muss.

In wenigen Wochen wird das Urteil über ihn gesprochen werden. Es wird nur Verlierer geben: die Staatsanwaltschaft, die sich in manchen Punkten vergaloppiert hat und die sich fragen lassen muss, ob eine die Inhaftierung Wolbergs‘ rechtfertigende Verdunkelungsgefahr wirklich vorlag. Aber auch Joachim Wolbergs, der wohl erkennen werden muss, dass er nie mehr auf den Stuhl des Oberbürgermeisters zurückkehren, sondern als gebrochener Mann aus dem Verfahren hervorgehen wird. Denn den von ihm angestrebten kompletten Freispruch wird es kaum geben. Man kann Angst um Joachim Wolbergs haben. (ssm)

 


 

Die „Nachgefragt“-Reihe

Bildunterschriften

Titelbild: Sakko, Hemd und Regensburg-Anstecker am Revers: So präsentiert sich Joachim Wolbergs jeden Freitag bei seinen Facebook-Botschaften.

Bild 1: Joachim Wolbergs mit seinen Anwälten Jutta Niggemeyer-Müller und Peter Witting im Saal 104 des Landgerichts. Mittlerweile gab es über 40 Verhandlungstage, bis zu 70 sind angesetzt. Das Urteil könnte im Mai fallen.

Bild 2: Das Justizgebäude in Regensburg.

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