Nachgefragt | Wer benennt unsere Straßen um? – Ein Regensburger Streitthema

Nachgefragt | Wer benennt unsere Straßen um? – Ein Regensburger Streitthema

Straße zu Ehren des Antisemits und Nazi-Anhängers Josef Engert wurde 2015 umbenannt.

- Anzeige -
Es ist ein ewiges Regensburger Thema und immer wieder Streitpunkt in der Politik: Sollen Straßen, die auch nur im Entferntesten Anstoß erregen könnten, umbenannt werden oder gibt es wichtigere Probleme? Wie geht man mittlerweile in der Verwaltung damit um? Wir haben nachgefragt.

Umbenennen oder informieren?

Die Diskussion um Straßennamen existiert schon seit längerer Zeit. Ewiger Streitpunkt im Regensburger Stadtrat: Benennt man problematische Straßen um oder versieht man sie mit einer Erklärung über die Problematik des Namens oder lässt man sie so, wie sie sind? Der Kern des Konflikts ist: Tilgt man die spezifisch deutsche Vergangenheit oder hält man sie sich vor Augen? Einen neuen Handlungsimpuls und eine Handlungsgrundlage lieferte Anfang 2022 die Masterarbeit einer OTH-Absolventin mit dem Titel „Straßennamen in Regensburg – Erarbeitung eines Handlungskonzepts zur Überprüfung der Regensburger Straßennamen auf koloniale, nationalsozialistische und anderweitig belastende Zusammenhänge“. Seitdem werden 1.300 Straßen von der Stadtverwaltung auf historische Problematik überprüft.

Wer ist verantwortlich?

Wir wollen wissen, wie und durch wen Straßenumbenennungen in Regensburg erfolgen. Die Pressestelle der Stadt schreibt: „Die Stabsstelle Erinnerungskultur ist für die Recherche und Vorschläge zuständig. Für Umbenennungen selbst ist ein Stadtratsbeschluss notwendig. Mithilfe von wissenschaftlichen Honorarkräften werden aktuell Fakten zu Namen, schwerpunktmäßig mit NS-Bezug, zusammengestellt. Archiv- und Quellenrecherche ist eine zeitintensive Arbeit. Die Stadt nutzt dazu alle zur Verfügung stehenden Quellen, vor allem Archivalien und bereits vorhandene Veröffentlichungen. An dieser Recherche beteiligt sich (soweit zeitlich möglich) die Stabsstelle Erinnerungskultur. Auch das Stadtarchiv unterstützt beratend. Bei der Recherche wird ortsteilbezogen vorgegangen. Aktuell laufen Recherchen zu Straßennamen im Kasernenviertel. Durch eine projektbezogene Stelle (wurde im Februar ausgeschrieben) soll wissenschaftlich fundiert eine Einschätzung zu den ortseilbezogenen Straßen vorgenommen werden. Das soll den langwierigen Prozess beschleunigen. Wann erste Ergebnisse zu der laufenden Recherche ‚Straßennamen im Kasernenviertel‘ vorliegen, kann derzeit nicht gesagt werden.“

- Anzeige -

Welche Straßen wurden bisher umbenannt?

Laut Pressestelle der Stadt Regensburg sind die letzten Straßenumbenennungen 2015 erfolgt: Die „Josef-Engert-Straße“ wurde zu „Am BioPark“ und die „Ladehofstraße“ zur „Friedrich-Niedermayer-Straße“. Josef Engert war Antisemit und Nazi-Anhänger. Die Umbenennung der Ladehofstraße steht in Zusammenhang mit dem Neubau der Justizvollzugsanstalt: „Angesichts der spezifischen deutschen Geschichte wurde die mögliche und auch offensichtliche Assoziation von Ladehof ‚verladen‘ und Gefängnis von den Beiratsmitgliedern wie von der Anstaltsleitung als bedenklich erkannt“, so die Begründung laut Beschlussvorlage VO/15/11273/61.

Muss das sein?

Die Frage ist die: Steht dieser Aufwand in Relation zu den wirklich wichtigen Krisen unserer Zeit wie dem Krieg, der Klima- und der Flüchtlingskrise? Dass man offensichtliche Ausreißer wie eine hypothetische Adolf-Hitler-Straße umbenennen sollte, steht außer Frage. Aber so viele Ressourcen aufzuwenden, um auch nur den kleinsten Fehler in Straßennamen zu finden, ist absurd und klingt nach einer neurotischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die meisten historischen Figuren sind ohnehin Kinder ihrer Zeit. Heinrich von Kleist war Chauvinist, Martin Luther Antisemit und die amerikanischen Präsidenten haben vom vorherrschenden System der Sklaverei profitiert. Aus der Geschichte soll man lernen. Statt unser heutiges Wertesystem auf andere Epochen anzuwenden, auf die man es nicht anwenden kann, sollte man sich auf die Probleme unserer Zeit konzentrieren. Da gäbe es schon genug zu tun. (lnw)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

  • gepostet am: Freitag, 07. April 2023

Nachgefragt weitere Artikel

Nachgefragt | Verschweigt die Polizei die Täternationalität?

Nachgefragt | Verschweigt die Polizei die Täternationalität?

Hat das Verschweigen der Täternationalität System? Wir haben aktuelle Presseberichte der Polizei unter die Lupe genommen.

>> weiterlesen

Nachgefragt | IKEA – Schlächter der Karpaten?

Nachgefragt | IKEA – Schlächter der Karpaten?

Der Möbelriese IKEA ist wieder im Kreuzfeuer. Greenpeace hat den mutmaßlichen Kahlschlag in den Karpaten Osteuropas untersucht – der schwedische Konzern ist in Erklärungsnot. Was ist an den Vorwürfen dran?

>> weiterlesen

Nachgefragt | Dank großem Fahndungsdruck – Schmiererpärchen auf frischer Tat ertappt

Nachgefragt | Dank großem Fahndungsdruck – Schmiererpärchen auf frischer Tat ertappt

Am 12.04.2024 wurden zwei Regensburger Sprayer auf frischer Tat ertappt. Ein großer Erfolg im Kampf gegen die überbordenden Schmierereien in der Welterbestadt Regensburg! Welche Strafe erwartet die Sprayer? Welcher Nationalität gehören sie an? Wir haben nachgefragt.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Wer rettet Regensburg vor den Schmierern?

Nachgefragt | Wer rettet Regensburg vor den Schmierern?

Seit Jahren schon beherrschen die Schmierer die Welterbestadt Regensburg. Sogar vor denkmalgeschützten Gebäuden machen sie nicht halt.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Update: Die Katastrophen-Toilette Neupfarrplatz

Nachgefragt | Update: Die Katastrophen-Toilette Neupfarrplatz

Die öffentliche Toilette am Regensburger Neupfarrplatz ist regelmäßig auf die schlimmste Weise verschmutzt, überschwemmt oder einfach außer Betrieb.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Die Katastrophen-Toilette Neupfarrplatz

Nachgefragt | Die Katastrophen-Toilette Neupfarrplatz

Die öffentliche Toilette am Regensburger Neupfarrplatz ist nun schon seit einiger Zeit in dauerkatastrophalem Zustand: Sie ist regelmäßig auf die schlimmste Weise verschmutzt, überschwemmt oder einfach außer Betrieb.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Fußgänger sehen rot – Nonsens-Ampel in Regensburg?

Nachgefragt | Fußgänger sehen rot – Nonsens-Ampel in Regensburg?

Führt die Stadt Regensburg seine Bürger mit einer absurden Ampelschaltung an der Nase herum und bringt sie gar in Gefahr?

>> weiterlesen

Nachgefragt | Update: Von der galoppierenden Verwahrlosung einer einstmals wunderschönen Stadt

Nachgefragt | Update: Von der galoppierenden Verwahrlosung einer einstmals wunderschönen Stadt

Vor einem Monat haben wir über die Verwahrlosung der Welterbestadt Regensburg berichtet. Denken Stadt und Polizei mittlerweile um?

>> weiterlesen

Nachgefragt | Kriminalität in und um Regensburg – 2023 am Regensburger Landgericht

Nachgefragt | Kriminalität in und um Regensburg – 2023 am Regensburger Landgericht

Enkeltricks, Cybercrime, Sexualdelikte, Mord – im Jahrespressegespräch des Landgerichts Regensburg informieren Präsident Dr. Clemens Prokop und Ruth Koller, Pressesprecherin und Vorsitzende Richterin, was sich 2023 getan hat.

>> weiterlesen

© Regensburger Stadtzeitung