Nachgefragt | Ein Papst geht in Rente

Nachgefragt | Ein Papst geht in Rente

Professor Joachim Grifka zeigt, wie ein Hüftgelenk aussieht. An der Wand hängen unzählige Ehrungen für den Mediziner.

Professor Joachim Grifka verabschiedet sich zum 31. März aus Bad Abbach

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Bad Abbach – Der Mann ist ein Revolutionär.

Und er ist nicht nur ein ausgewiesener Spezialist auf seinem Fachgebiet, er ist eine absolute Koryphäe. Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Joachim Grifka hat mit seiner Mannschaft bei der Implantation von Hüft- und Kniegelenken außergewöhnliche Wege beschritten und sensationelle Erfolge erzielt.

Seit vielen Jahren schon gilt er als der Knie- und Hüftpapst in Deutschland, wird immer wieder unter die besten Ärzte des Landes gewählt. Er hat Auszeichnungen und Ehrendoktortitel in aller Herren Länder und vom US-Magazin Newsweek die Auszeichnung für eines der 100 besten Krankenhäuser für Orthopädie weltweit bekommen.

Zum 31. März 2024 geht der gebürtige Krefelder nun in den Ruhestand.

Am Anfang war die Rheuma-Klinik

Als Grifka am 2. Mai 2000 als Lehrstuhlinhaber für Orthopädie von der Ruhr-Uni Bochum an die Regensburger Universität wechselte, wurde er gleichzeitig auch Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Uni in Bad Abbach.

2Die Asklepios-Klinik in Bad Abbach.
Foto: Asklepois

„Die hieß damals noch Rheumaklinik und war bekannt für Rheuma und Reha“, erinnert sich Grifka im Stadtzeitungsgespräch. Herzstück waren zwei Schwimmbäder, wo heute die Ambulanz ist. Der neue Chefarzt bekam viele Freiheiten. „Ich durfte hier alles aufbauen, die Kostenträger standen absolut hinter mir, so dass ich die orthopädische Uniklinik für Ostbayern mit dem ganzen Spektrum der Orthopädie entwickeln konnte.“

Heute ist das Asklepios-Klinikum ein modernes Zentrum für Orthopädie mit wahrlich bahnbrechenden Methoden.

Neue Hüfte, neues Knie: Nach Hause noch am selben Tag

Denn Professor Grifka hat als erster in Deutschland künstliche Hüft- und Kniegelenke auch ambulant eingesetzt, das heißt, der Patient kann noch am Operationstag die Klink wieder verlassen. Standard sind heute deutschlandweit eine Woche im Krankenhaus und drei Wochen auf Reha.

Möglich macht das eine außergewöhnliche und schonende OP-Methode, die über Jahre hinweg an der Klinik und unter Einsatz spezieller Instrumente ausgearbeitet wurde.

Dabei wird etwa bei der Hüft-OP in kurzer Teilnarkose darauf verzichtet, Muskeln zu zerschneiden, um das Hüftgelenk an der passenden Stelle einzusetzen. Vereinfacht gesagt, werden die Muskeln lediglich zur Seite geschoben. Die Muskeln müssen somit nicht mehr zusammenwachsen; Blutungen, Vernarbungen und starke Schmerzen werden verhindert. Auf Morphium als Schmerzmittel für die Tage nach der Operation kann komplett verzichtet werden. Für diesen Eingriff ist mittlerweile auch ein deutlich kleinerer Schnitt (etwa sieben Zentimeter) an der Körperoberfläche notwendig.

2Manfred Ströhle (66) witzelt am Tag nach seinem Eingriff an der Hüfte mit dem Professor. Der Patient steht sicher auf den Beinen.
Foto: ssm

Bei Knie-Operationen wird ebenfalls in Teilnarkose des Beines lokal betäubt, eine gezielte Blutstillung macht eine Wunddrainage mit dem typischen Schlauch aus dem Knie überflüssig. Für eine ambulante Operation werden die Patienten mit einem fünftägigen Physio- und Ergo-Programm vor der Operation auf die Zeit unmittelbar nach dem Einsatz des Ersatzgelenks vorbereitet.

Die Folge: Die Patienten sind schon zwei bis drei Stunden nach dem Eingriff wieder auf den Beinen, können auf Krücken laufen. Am Abend geht es dann bei einer ambulanten Operation schon wieder nach Hause.

Mehr Lebensqualität

Grifka: „Wir geben dem Patienten sofort nach dem Eingriff ein großes Stück Lebensqualität. Sie sind bei Körperpflege oder der Toilette nicht auf fremde Hilfe angewiesen.“

Die Patienten, die sich der sogenannten „Fast-Track-OP“ unterzogen, waren bis jetzt alle hochzufrieden. Wie etwa Renate Lachner (damals 71), deren Hüft-Operation samt Erläuterungen Grifkas 2021 auch live aus dem OP-Saal übertragen wurde. „Ich freue mich riesig“, sagte sie zwei Stunden nach der Operation als sie im Kursaal Bad Abbach eine große Runde drehte. Endlich kann ich ohne Schmerzen gehen.“ Zuvor war die Frau fast ein Jahr lang am Krückstock gegangen. Am Nachmittag der Live-Operation ging sie nach Hause.

2Ein Patient kann sechs Stunden nach der Operation bereits wieder Treppen steigen.
Foto: Asklepios

Natürlich führt Grifka auch weiterhin Eingriffe durch, bei denen die Patienten stationär aufgenommen werden. Aber auch dabei werden sie schon nach wenigen Stunden mobilisiert. Ältere Patienten werden durch die Integrierte Geriatrie besonders auf den Eingriff vorbereitet, durch Anpassung der Medikamente oder besondere Physiotherapie. So können Zustände der Verwirrtheit nach der OP vermieden werden.

Grifka: Es wird zu viel operiert

Insgesamt werden in Deutschland weit über 400.000 Hüft- und Knieporthesen pro Jahr eingesetzt – zum Leidwesen des Uni-Professors.

„Diese Zahl“, sagt Grifka, „ist zu hoch. Es gibt zu viele künstliche Gelenkoperationen.“

In Nachbarländern sei diese Zahl deutlich niedriger. „Deutsche sind nicht kränker als z.B. Italiener oder Franzosen“, sagt Grifka.

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Er rät Patienten auch immer wieder von Eingriffen ab, empfiehlt allen Betroffenen, sich eine zweite Meinung einzuholen, wenn der behandelnde Arzt auf die Operation drängt. „Es gibt oft auch andere Methoden“, sagt Grifka. Wie etwa beim Regensburger Polizisten Franz Islinger. Dessen Hüftgelenksknochen wurde lediglich modelliert, nachdem er mit Mitte Vierzig jahrelange Schmerzen hatte. Drei Monate später joggte er schmerzfrei locker durch den Wald. So konnte er über mehr als zehn Jahre ohne Hüftprothese sportlich aktiv sein.

Fettstammzellentransplantation zum Gelenkerhalt bei Arthrose

Fettstammzellen und Wachstumsfaktoren wirken gegen Entzündung. Nicht jede Arthrose schmerzt. „Es gibt Patienten, die im Röntgenbild einen ausgeprägten Verschleiß zeigen, aber kaum Schmerzen haben”, erklärt Grifka. „Ziel muss es sein, beschwerdefrei mobil zu sein. Dazu gibt es neue Wege.” Mit einer Methode der plastischen Chirurgie saugt Prof. Grifka aus dem Bauch Fett ab, filtert Stammzellen und Wachstumsfaktoren heraus und transplantiert dieses Substrat in die Arthrose-Gelenke. So werden Schmerz und Entzündung bekämpft.

2Unfassbar: Ein Patient stemmt nach der Knie-OP zentnerschwere Gewichte.
Repro: ssm

„Ich habe Tausenden Patienten mit einer Operation weitergeholfen“, sagt Grifka. „Aber auch Tausenden Patienten dadurch, dass ich von der empfohlenen Operation abgeraten habe.“

Doch dadurch machte sich Grifka nicht unbedingt Freunde. Nicht bei den niedergelassenen Ärzten, die die Eingriffe empfohlen, und auch nicht im eigenen Haus. Als dort eine zusätzliche Orthopädiestation errichte wurde, sprach Grifka offen von dem Versuch der Gewinnoptimierung, der nicht zum Wohl der Patienten geschehe.

Zukunft im Orthopädie-Zentrum und an der OTH

Die Patienten indes begegnen Grifka mit großer Dankbarkeit. In den Jahresberichten des Klinikums finden sich unzählige Schreiben, die voll des Lobes für die Arbeit des Arztes sind. Immer wieder bedanken sich Menschen für ihr neues, schmerzfreies Leben. Ein Patient mit ambulanter Knieprothese hat sogar ein Video geschickt, das ihn nach dem Einsatz der Prothese beim Skifahren zeigt.

In wenigen Wochen verlässt Grifka das Klinikum, doch er wird dem Raum Regensburg erhalten bleiben. Im „Orthopädie Traumatologie Centrum“ wird er einmal pro Woche Sprechstunde halten, an der Ostbayerischen Technischen Hochschule weiter in Forschung und Lehre arbeiten. In welchem Krankenhaus er künftig operiert, ist noch nicht klar.

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Er ist auch sonst nicht untätig: Erst kürzlich hat er einen neuen, rückenschonenden Stuhl entwickelt, der die Wirbelsäule entlastet. Er gibt Patientenratgeber für orthopädische Krankheiten heraus und arbeitet mit einem Freund an einer Homeoffice-Einheit.

Gemeinsam mit Prof. Benditz, Marktredwitz, hat er ein großes Forschungsprojekt zur Vermeidung von Rückenoperationen bei Bandscheibenvorfall eingeworben – mit 3,5 Millionen Euro Förderung.

Dass er in Regensburg bleiben wird, stand für ihn bald fest: „Es ist wunderbar hier, mir scheint, manche Menschen wissen dies gar nicht so recht zu schätzen.“

Längst hat sich Grifka auch an das gewohnt, was er als seinen ersten Kulturschock in Bayern bezeichnet: „Als ich zum ersten Mal in Regensburg in einem Biergarten war, sah ich überall nur die Null-Fünfer-Gläser. Ich fragte die Bedienung, ob es nicht auch ein kleines Bier gebe. Sie schaute mich nur kurz an und meinte: ‚Dann kommst wieder, wennst einen Durst hast.‘ Ich habe im Biergarten nie wieder nach einem kleinen Bier gefragt.“

(ssm)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

  • gepostet am: Dienstag, 05. März 2024

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